Neue Lehrmethode zum Thema Datenbanken aus Suedamerika - auch fuer Deutschland?
Heutzutage ist es keine Kunst mehr Datenbanken aufzubauen und mit Daten zu fuellen. Die wirkliche Herausforderung ist die Informationsgewinnung hieraus. Auswertungen, Recherchen, Analysen, Statistiken sind nicht nur die zeitraubendsten, sondern auch eines der wichtigsten Themen in der Datenbankfachwelt. Deshalb ist auch dieses Thema mittlerweile an oeffentlichen Realschulen und Gymnasien fest in den Unterrichtsplänen integriert worden.
Ich möchte mich kurz vorstellen. Ich bin IT-Fachlehrer am Colegio Tecnico Atacames in Ecuador und gebe schwerpunktmaessig Unterricht zum Thema Datenbanken. In Suedamerika belegt Ecuador noch bei der sog. "Pisa-Studie" den letzten Platz. "Pisa" gibt es also nicht nur in Europa, sondern auch hier.
Deshalb steht das Thema "Mejorar la educacion --> Verbesserung des Bildungswesens" seit einigen Jahren ganz oben auf der Agenda bei den Politikern. Um das Bildungswesen voranzutreiben hat man vorallem auf Deutschland geschaut. So wurde die allgemeine Schulpflicht eingefuehrt. Der Besuch von oeffentlichen Kindergaerten, Schulen, Gymnasien und Universitaeten ist fuer alle kostenlos. In Kindergaerten und Schulen wird auch kostenlos Essen verteilt, denn mit hungrigem Magen lernt es sich schlecht.
Daneben wurden alle Schuleinrichtungen mit Projekten beauftragt, um fuer jedes Unterrichtsfach moeglichst viele Praktikumsaufgaben (typsch deutsch) zu gestalten. Vorallem beim "Examen del Grado" (Abitur-Abschluss-Examen) soll der Student weitestgehend keine schriftlichen (theoretischen) Aufgabenstellungen loesen (zu viel Korruption), sondern soll Aufgaben erhalten, die er "praktisch" loesen muss.
Wir wurden hier im Colegio(Gymnasium) beauftragt unter Leitung von Prof. Marcelo Andrade eine praxis- und ergebnis-orientierte Lehrmethode zum Thema Datenbanken zu entwickeln, die bedingt, dass der Student mit ca. 20% Theorie und 80% Praxis die allgemeine Wirkungsweise von Datenbanken erlernt. Deshalb haben wir uns entschlossen einen Praxis-Fragenkatalog mit vielen kleinen, aber auch weitestgehend realistischen Aufgabenstellungen auszuarbeiten über das Thema Auswertungen von Geschaeftsdaten, anhand derer der Student die Umsetzung in die Lösung praktisch am PC üben kann. Hierbei muß der Student also immer ein sinnvolles Ergebnis präsentieren. Auswertungen sind ja weltweit in der Geschäftwelt immer ein grosses Thema, wie ihr ja sicherlich auch wisst.
Ausserdem - Zitat von Prof. Marcelo Andrade:
"Wenn jemand eine groessere Datenmenge in einer Datenbank nach allen Regeln der Kunst auswerten kann, dann hat er bereits das Wesentliche begriffen und ist schon fast ein Datenbank-Experte. Er erkennt dadurch denn Sinn eines Attributkataloges und weiß viel besser welche Felder nötig und zu definieren sind und vergißt nicht die Hälfte. Spaetestens nach den Praktikumsaufgaben des Schwieregkeitsgrades 7 hat der Student auch begriffen, warum Datenbanken mit verknüpften Tabellen arbeiten. Wenn dem Student das "WARUM" und der "NUTZEN" klar ist, dann versteht er viel schneller das Wesentliche, weiß was zu tun ist und vorallem - er ist dann auch motiviert. Das gilt uebrigens fuer jedes Unterrichtsfach."
Zitat-Ende
Ich moechte hier noch hinzufügen, dass seit Einfuehrung dieser Lehrmethode vor 2 Jahren nie mehr die ketzerische Frage seitens der Studenten kam: "Warum soll ich eigentlich diesen ganzen komplizerten Mist lernen, fuer was braucht man sowas ueberhaupt ?". Ganz im Gegenteil, seit der neuen Lehrmethode konnten wir sogar einen Anstieg von interessierten Schülern im DB-Fach verzeichnen, weil sie nämlich dadurch wirklich den Sinn und Nutzen von Datenbanksystemen in "Praxi" begriffen haben.
Zitat Prof. Marcelo Andrade:
"Wenn Sie anhand von 3 Datensätzen und 5 Feldern einem Studenten erklären wollen, was ein VIEW (Datenausschnitt) ist und warum Datenbanken mit Views arbeiten, erkennt der Student den Sinn nicht und lernt rein garnichts. Führt man ihm das anhand von Millionen Datensätzen vor, dann begreift er das WARUM und erkennt den NUTZEN und selbst der Duemmste merkt dann sehr schnell, dass die üblichen Markierungs- Ausschneide- und Einfüge-Funktionen hier fehl am Platze sind und dass man hier was anderes braucht, was man im Fachjargon VIEW nennt."
Zitat Ende.
Die eigentliche Herausforderung bei dieser Lehrmethode aber war fuer Prof. Marcelo Andrade, die DB-Aufgabenstellungen auf der einen Seite in unterschiedliche Schwierigkeitsgrade fuer eine Punktebewertung zu rastern und auf der anderen Seite die Aufgaben so realistisch wie moeglich zu gestalten, was vorallem bei dem untersten Schwierigkeitsgrad 0 viel Muehe bereitet hat.
Erschwerend kam hinzu, dass diese Anforderungen auch in Minuten-Zeitraeumen in "Praxi" von den Studenten am PC geloest werden muessen, da fuer die Praxis-Pruefungsaufgaben nur 1 U-Stunde und für das "Examen del Grado" nur 2 U-Stunden Pruefungszeit (2 x 45 Minuten) zur Verfuegung stehen, in denen der Student mehrere Anforderungen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade in "Praxi" zu loesen hat, um die vorgegebene Punktzahl zu erreichen.
Bei allen unseren Aufgabenstellungen gehen wir von einem Archivbestand aus, in dem 10 Jahre lang alle Kunden-Einzelbestellbelege gespeichert sind, weil man nicht nur in Deutschland, sondern auch hier in Ecuador seine Belege 10 Jahre lang aufheben muss.
Deshalb haben wir fuer die Praktikumsaufgaben einen Lehrdatenbestand aufgebaut aus kaufmaennischer Sicht ganz trivial (Kunde Auftrag Artikel) mit folgenden Kern: Menge * Artikel-Verkaufspreis = Umsatz, Menge * Artikel-Einkaufspreis = Kosten und die Differenz der beiden Werte ist der Rohgewinn. Dann gibts noch MwSt (hier IVA) und Versandkosten und Kunden und schon koennen daraus Rechnungen generiert werden. Die Artikel werden noch nach Waren- und Produktgruppen gerastert - und fertig. Also so simpel wie moeglich, sodass auch Studenten ohne kaufmaennische Erfahrung diese kaufmaennischen Anforderungen verstehen koennen.
Natürlich haben wir auch ein realistisches Datenvolumen fuer den Lehrbestand geschaffen, mittels dem die Studenten ihre Praktikumsübungen machen können, indem wir die Daten zigfach dupliziert und dabei weitestgehend sinnvoll abgewandelt haben.
Selbstverstaendlich ist der Lehr-Archivbestand in eine kpl. Applikation Auftrags-Abwicklung eingebettet, angefangen von Kunden -Bestellungen, ueber Waren-Auslieferung (Lieferschein), und Rechnungsschreibung(Fakturierung) bis hin zur Archivierung, sodass der Student erkennt, wie solche Bestaende entstehen und anwachsen. Also das "Ganze" so realistisch wie moeglich. "Halbe" Sachen werden von Prof. Andrade nicht geduldet.
Zitat Prof. Marcelo Andrade:
"Der Lehrer darf keine Muehen scheuen, das Unterrichtsthema so realistisch wie moeglich zu gestalten, sodass der Student vorallem in den obersten Abiturklassen sehr deutlich merkt, dass er nicht fuer die Schule oder fuer Noten lernt, sondern fuer sich und seine Zukunft. Nur durch realistische Aufgaben und Anschauungsmaterial erkennt der Student den Nutzen, dass er also mit dem Fachwissen, was ihm hier vermittelt wird, auch kuenftig was anfangen kann. Realistische Aufgabenstellungen, eingepackt in eine realistische Umgebung koennen also das Interesse und die Motivation des Studenten erheblich steigern.
Mit abstrakten, aus dem Zusammenhang herausgerissenen Aufgaben und halbfertigen, oft unrealistischen Loesungsansaetzen, demotivieren Sie den Studenten, denn er sagt sich zurecht -Fuer was brauche ich diesen komplizierten Mist - und lernt rein garnichts, weil das Interesse nicht geweckt wurde. Auch nur irgendwelche theoretischen Gebilde tragen nicht gerade zur Motivation bei. Er braucht handfeste, praxistaugliche und realistische Loesungen, die er als sein Erlerntes vorweisen kann, um motiviert zu werden.
Zitat Ende.
Diese Ergebnis- und praxisorientierte Lehrmethode mit unserem Lehrbestand und den kleinen, in Schwierigkeitsgraden gerasterten, Aufgabenstellungen hat sich seit 2 Jahren bewährt und es gibt immer mehr Anhänger dieser Lehrmethode.
Deshalb die Frage an alle Fachlehrer im Themenbereich Datenbanken in Deutschland: Könnten sich einige von euch auch dieser Lehrmethode anschließen?
Ich habe mir die Erlaubnis von Prof. Marcelo Andrade eingeholt, diesen gesamten Fragenkatalog auf deutsch fuer interessierte deutsche Fachlehrerkollen zu uebersetzen, die an Hauptschulen, Realschulen oder Gymnasien das Datenbankfach unterrichten.
Ich habe mir also die Mühe gemacht, den gesamten Fragenkatalog einschließlich der Lehrfilme originalgetreu auf deutsch zu uebersetzen und habe eine schlichte Webside erstellt. Schaut mal die Fragestellungen und Loesungsfilme an. Die Lehrfilme sind natuerlich ohne Ton, also reines Lehrmaterial, sodaß jeder Lehrer den Film an jeder beliebigen Stelle anhalten und mit eigenen Worten das Vorgehen zur Lösung der jeweiligen Aufgabe erklären kann, je nach Wissensstand seiner Studenten.
Wenn Ihr Interesse habt anhand dieser Lehrmethode zu unterrichten, könnt ihr euch die DB-Applikation (kpl. realistische Auftragsabwicklung mit Archiv) mit den Lehrdatenbestaenden kostenlos vom Netz runterladen. Die Lehrfilme koennt ihr ja sowieso kostenlos runterladen. (Empfehlung als MP4 Format, bis zu 80% kleiner bei gleicher Qualitaet). Bis jetzt haben wir 64 praktische Pruefungsfragenstellungen aus dem Bereich Wirtschaft (Der Chef will wissen). Ich habe fuer die ersten 24 Fragestellungen bereits die Loesungungs-Lehrfilme in deutsch erzeugt. Der Fragenkatalog soll lt. Kultusministerium bis auf 300 erweitert werden. Es folgen Fragestellungen aus dem Bereich Politik (Der Praesident will wissen), der Schule (Der Schulrektor will wissen), der Äerzte, Patenten, Medikation, Behandlung(Der KlinikChef oder der Arzt will wissen), wobei immer eine jeweilige realistische kpl. Datenbank-Applikation mit auch realistischem Datenvolumen zugrundeliegt.
Zum Abschluss noch ein weiteres Lehrmittel zum Unterrichtsfach Datenbanken. Aufgrund meiner jahrelangen Taetigkeit hier und den Erfahrungen mit den Studenten, habe ich gemeinsam mit Prof. Marcelo Andrade und der Mithilfe vieler weiterer Fachkollegen 2 Datenbankfachbuecher verfasst (in deutsch), die ich auch hier als Unterrichtsbuecher einsetze zum Thema Aufbau von Datenbank-Applikationen (Datenbank-Anwendungen). Mittels diesen Buechern wird der schrittweise Aufbau von DB-Applikationen von A bis Z mit solch einfachen Worten erklaert, sodass auch ein Neu-Einsteiger im Selbststudium das lernen könnte. Dabei wird der Student eingeladen, gleich in Praxi die im Unterrichtsbuch erarbeitete DB-App an seinem PC mitaufzubauen. Selbstverstaendlich koennt ihr diese DB-Fachbuecher ebenfalls kostenlos zu Unterrichtszwecken vom Netz runterladen. Ein weiteres Buch ist in Arbeit --> Aufbauen einer kleinen Taschengeld-Applikation. Dort werden auch die noetigen verwendeten Fachbegriffe aus der Buchhaltung in einfachen Worten erlaeutert.
Im Moment brandaktuell, vorallem in der Wirtschaft, das Thema Datenqualitaet. Auch hierueber haben wir Filme mit realistischen Echtdaten aus einem Mittelbetrieb in Quito (Hauptstadt Ecuador) erzeugt. Ebenfalls von meiner Webside zum kostenlosen runterladen, falls das Thema in Deutschland im Unterricht angesprochen werden sollte.
Ich lebe seit 8 Jahren in Ecuador und weiss natuerlich nicht, wie sich in diesem Beritt die Unterrichtsmehtode in Deutschland entwickelt hat. Bitte deshalb um Anregungen und Kritik hier im Forum.
Was mich, aber auch Prof. Marcelo Andrade, vorallem interessiert - was haltet ihr von dieser ergebnisorienterten Lehrmethode mit den vielen kleinen praktischen Aufgabenstellungen. Ich persoenlich finde sie "super". Vorallem erleichtert es den Unterricht erheblich. Man erklaert eine oder zwei Aufgaben eines Schwierigkeitsgrades und dann sagt man den Studenten, geht ins Internet, dort sind alle Loesungsfilme und uebt fleissig alle Aufgaben dieses Schwierigkeitsgrades - naechste Woche ist praktische Prüfung. Man braucht hiebei auch keine Prüfungsaufgaben mehr geheim zu halten - abschreiben geht nicht mehr, denn der Student muß ja in "Praxi" am Schul-PC die jeweils geforderten Ergebnisse liefern.
Wir sind staendig bemueht, die Fragestellungen immer wieder neu an der Realitaet zu orientieren. Um die Fragestellungen zu verbessern, also noch realistischer zu gestalten und um sie zu erweitern, habe ich z.Zt. ein weiteres Forum in D laufen, in der Hoffnung, dass sich dort einige Kaufleute mit Anregungen zu Wort melden, um uns zu helfen, noch realistischer rueberzukommen.
Die Webside mit dem gesamten Lehrmaterial, Buechern und zum Thema Datenqualitaet lautet:
http://www.derchefwillwissen.de
Kollegialen Dank fuer eure Muehen im voraus aus dem sonnigen Ecuador bei Sonne, Strand und Meer. Im Moment herrschen hier winterliche Temperaturen, wir haben nur 25 Grad.
Ich erwarte hier im Forum nicht sofort ein Feedback, also ueberschlagt euch nicht, schaut in Ruhe den Fragenkatalog auf der Web-Side an. Ich schaue in ein bis 2 Wochen wieder ins Forum rein.
Nichts fuer ungut